Um die Ukraine ist es in der westlichen Öffentlichkeit zuletzt stiller geworden. Das hat drei Gründe. Erstens hat der Krieg zwischen Israel und dem Iran einen Großteil der außenpolitischen Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Politisches Patt
Zweitens hat in den westlichen Staatskanzleien und Medienzentralen die Begeisterung für einen ukrainischen „Sieg auf dem Schlachtfeld“ einer deutlichen Ernüchterung Platz gemacht. Einerseits hat die Initiative von Donald Trump für eine diplomatische Lösung bisher keine konkreten Früchte getragen. Andererseits hat die demonstrative Unterstützung von Keir Starmer, Emanuel Macron und Friedrich Merz dem Regime in Kiew keinen militärischen Umschwung gebracht.
Wie ich bereits Mitte eingeschätzt habe, haben die Herren aus London, Paris und Berlin nicht die Kraft, eine eigene Perspektive in die eine (militärische) oder andere (politische) Richtung durchzusetzen. Sie haben aber gerade noch genug Kraft, um das Regime in Kiew am Leben zu erhalten und einen „Deal“ zwischen den USA und Russland zu sabotieren. (https://diefreiheit.info/ukraine-woran-der-frieden-scheitert/)
Angesichts dieser Paralyse sind bei den westlichen Eliten die hysterische Kriegsbegeisterung und der Schwingen der gelb-blauen Fähnchen verfolgen und stattdessen Ratlosigkeit und vergleichbare Ruhe eingekehrt. Eine lachhafte Ausnahme ist die neue österreichische Außenministerin, die sich wie ein Groupie von Wolodymir Selenskyj benimmt, von Reisen nach Kiew nicht genug bekommen kann und ihr Idol kürzlich dem Parlament der offiziell neutralen Alpenrepublik aufgedrängt hat.
Militärische Lage
Drittens bewegt sich an der Front in der Ukraine in den letzten Wochen und Monaten wenig. Während antiamerikanische Analysten und Kommentatoren seit der krachend gescheiterten ukrainischen Sommeroffensive ab Juni 2023 ständig den Zusammenbruch der ukrainischen Front und den großen russischen Durchbruch prognostiziert haben, stellt sich die Realität – zumindest bisher – anders dar.
Dass die genannten Prognosen bislang nicht eingetroffen sind, hat mehrere Gründe. Erstens schafft es das ukrainische Militär durch immer brutalere Zwangsrekrutierungen, durch westliche Söldner und „Berater“ doch immer wieder, Lücken zu stopfen. Zweitens sind bislang noch neue westliche Waffen eingetroffen. Drittens kann die Ukraine im immer wichtiger gewordenen Drohnenkrieg einigermaßen mithalten.
Der Drohnenkrieg, der erstmals in der Geschichte in dieser Intensität geführt wird, behindert auf russische Seite das Massieren von Truppen für größere Offensivoperationen. Generell sind vorrückende Einheiten ständigen Drohnenangriffen ausgesetzt und benachteiligt Angriffsaktionen massiv.
Die Folge ist, dass die russische Armee beim Vormarsch kaum auf gepanzerte Fahrzeuge setzt, die (wie umgekehrt 2023) von den Verteidigern rasch ausgeschaltet würden. Stattdessen rückt man in kleinen Gruppen von Fußsoldaten, oft in Wäldchen oder Baumreihen, manchmal auf Motorrädern, vor. So werden Verluste reduziert, das Vorrücken aber massiv verlangsamt.
Als Ergebnis sind die Geländegewinne in den vergangenen Monaten zwar stetig, aber gering. Nachdem die ukrainische Regierung wertvolle Reserven für die PR-Aktion in der russischen Region Kursk geopfert hat, gelang es russischen Einheiten, von Norden kommend in die ukrainischen Regionen Sumy und Charkow einzudringen. Dort konnten die Ukrainer die Kampflinie aber offenbar in den letzten Tagen stabilisieren.
In den Regionen Donezk und Saporischschja konnten die Russen hingegen auch zuletzt immer wieder weitere Ortschaften einnehmen. Dieses Geschehen kann man täglich durch die detaillierten Berichte auf „Military Summary DE“ nachverfolgen, etwa diesen: https://www.youtube.com/watch?v=Q_7ulqP6D-A
Umkämpftes Lithium
Der zuletzt bedeutendste Erfolg gelang den russischen Truppen offenbar am 27. Juni in der Region Donezk, nämlich einen Geländegewinn mit Brisanz. Nach russischen und westlichen Angaben wurde das Dorf Schewtschenko eingenommen – samt einer der größten Lithiumlagerstätten Europas. Das Gebiet enthält Schätzungen zufolge rund 14 Millionen Tonnen Lithiumerz, das für Batterien und die Energiewende unverzichtbar ist. Neben Schewtschenko sei auch die Siedlung Nowoerschiwka erobert worden.
Die Lagerstätte Schewtschenko wurde bereits 1982 in sowjetischer Zeit entdeckt. Das Material liegt nur 70 bis 130 Meter tief – ideal für einen wirtschaftlichen Abbau. Während Moskau das Lithium womöglich bald fördern will, ist Kiew empört. Die geopolitischen Folgen sind gravierend: Laut medialen Einschätzungen bedeutet der Verlust von Schewtschenko und des zuvor eingenommenen Vorkommens Balka Kruta, dass Russland über die Hälfte der ukrainischen Lithiumreserven kontrolliert.
Das wiederum wird auch in London und Washington für Verärgerung sorgen. Januar 2024 unterzeichnete Großbritannien eine auf 100 Jahre angelegte Partnerschaft mit der Ukraine, mit der sich London als „bevorzugter Partner“ bei der Entwicklung der ukrainischen Rohstoffstrategie positionieren wollte. Dann aber platzte Donald Trump in die britischen Pläne. Die USA unterschrieben im Frühjahr 2025 einen „Deal“, der als „Kompensation“ für Militärhilfe US-Zugang zu den ukrainischen Bodenschätzen beinhaltet. Ein Vorstoß, der in London für erhebliche Verstimmung sorgt.
Was viele nicht wissen: Die Ukraine verfügt über gewaltige Mineralvorkommen von immenser wirtschaftlicher Bedeutung. Rund 20.000 Lagerstätten mit 116 verschiedenen Mineralien schlummern im ukrainischen Boden – darunter kritische Rohstoffe wie Beryllium, Mangan, Gallium, Uran und seltene Erden. Das Land besitzt zudem die größten Titanreserven Europas und ein Drittel der europäischen Lithiumvorkommen. (https://www.kettner-edelmetalle.de/news/grossbritannien-und-usa-im-wettlauf-um-ukrainische-bodenschatze-ein-geostrategisches-machtspiel-14-03-2025)
Stimmung in der Ukraine
Eine repräsentative Umfrage unter 2000 Ukrainern, in den von Kiew kontrollierten Gebieten, ergab, dass die Mehrheit der Bevölkerung ein rasches Kriegsende durch einen Kompromiss mit Russland möchte.
Wie das Magazin Multipolar am 27. Juni berichtet hat, möchte eine klare Mehrheit der ukrainischen Bevölkerun den Krieg gegen Russland schnell mit friedlichen Mitteln beenden. Bei der Frage nach der Auswahl eines von vier vorgegebenen Szenarien zum Krieg wählten rund 56 Prozent der Befragten die Option „Suche nach einer Kompromisslösung unter Einbeziehung der Führer anderer Länder zur Beendigung des Krieges“. Mehr als 16 Prozent der Teilnehmer entschieden sich für die Variante „Aussetzung der Feindseligkeiten und vorübergehendes Einfrieren des Konflikts entlang der derzeitigen Kontaktlinie“.
Zusammengenommen rund 21 Prozent der Befragten entschieden sich für die beiden anderen Optionen, die die Fortführung des Krieges bis zum Erreichen der Grenzen des Februar 2022 beziehungsweise der Grenzen von 1991 vorsehen. Damit wollen also 72 Prozent der Ukrainer ein schnelles Kriegsende durch Kompromiss oder Waffenstillstand.
Die Befragung wurde in der Zeit vom 6. bis 11. Juni unter 2.000 volljährigen Personen in den von Kiew kontrollierten Teilen der Ukraine durch das Institut für Strategische Studien (Janus), das Zentrum für Sozial- und Marktforschung (Socis) und vom Institut „Barometer der Öffentlichen Meinung“ durchgeführt.
Falls es zu Verhandlungen und einer „vorübergehenden Einstellung der Feindseligkeiten“ käme, sprechen sich der Umfrage zufolge knapp 58 Prozent für die zügige Abhaltung von Präsidentschaftswahlen aus – ein klares Misstrauen gegenüber der aktuellen, nicht mehr durch Wahlen bestätigten Regierung.
Offenbar aus Realismus wollen 57 Prozent der Teilnehmer einen unabhängigen ukrainischen Weg, der sich auf „eigene Ressourcen“ stützt. Gäbe es aber in naher Zukunft ein Referendum über einen EU-Beitritt der Ukraine würden rund 69 Prozent der Befragten mit „Ja“ stimmen, während nur 20 Prozent eine EU-Mitgliedschaft ablehnen würden. Für eine Nato-Mitgliedschaft ihres Landes würden in einem Referendum mehr als 62 Prozent der Ukrainer stimmen – rund ein Viertel der Befragten wäre dagegen.
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