Die deutschsprachige Rechte war wie die in großen Teilen Europas geprägt durch nationalistische Überhöhung der eigenen Nation, meist kombiniert mit Feindschaft gegenüber Juden und oft mit antislawischen Tönen unterschiedlicher Intensität. 1945 fand diesbezüglich ein erster Bruch statt. Eine positive Bezugnahme zur NS-Tradition war nicht nur verboten, sondern auch kontaminiert. Die Verbrechen und die Niederlage der Nazis tabuisierten offenen Antisemitismus.
Während etwa in Frankreich die extreme Rechte sich in den beiden Jahrzehnten nach 1945 besonders in den französischen Kolonialkriegen hervortat, bekam sie in den deutschsprachigen Ländern erst langsam wieder die Füße auf den Boden. Sie grenzte sich offiziell und in schwankendem Ausmaß vom NS-Regime ab.
Zumindest unterschwellig waren diese Traditionen und der Antisemitismus aber dennoch vorhanden. Und die antislawische Stoßrichtung wurde durch zwei Dinge erneut befeuert: einerseits durch die Vertreibung von 12 bis 14 Millionen Deutschen aus Osteuropa und die Vergewaltigung von etwa zwei Millionen Frauen durch sowjetische Soldaten, andererseits durch die antirussische Propaganda im Kalten Krieg, die an NS-Stimmungen ansetzte und die russischen Opfer der Nazis unter den Tisch kehrte.
Während diese ambivalente Rechte in Deutschland, Österreich und auch in Frankreich unter Jean-Marie Le Pen jahrzehntelang vorherrschend war, entstand ab den 1960er Jahren eine Neue Rechte, die lange randständig blieb, sich aber längerfristig im rechten Spektrum immer mehr durchsetzte.
Das Konzept des „Ethnopluralismus“
In Frankreich ist hier vor allem der Rechtsintellektuelle Alain de Benoist zu nennen, der als Vordenker des „Ethnopluralismus“ gilt, in Deutschland Henning Eichberg. Letzterer bezog sich teilweise auf den Nationalbolschewismus, publizierte um 1970 wichtige Texte für eine politische Neuausrichtung der Rechten, übersiedelte 1982 nach Dänemark, wo er ein bekannter Sportwissenschaftler und Mitglied der linken Socialistisk Folkeparti (SF) wurde.
Unter dem Pseudonym Hartwig Singer veröffentlichte Eichberg 1970 den Schlüsseltext „Totale Nation? Europäischer Nationalismus und die Öffnung nach vorn“. Darin spricht er von „selbstzerstörerischem Chauvinismus“, der zu den „europäischen Bürgerkriegen 1914 bis 1945“ geführt hätte. Man könne zwar von „Großrassen“ wie Europäern, Asiaten und Afrikanern sprechen, die Unterteilung in europäische Unterrassen sei aber Unsinn. Die NS-Theorie, die einen Herrschaftsanspruch einer nordischen Rasse postulierte, habe die Völker Europas aufgespalten, besonders durch die „verblendete Behandlung der Ostvölker“.
Die Weißen hätten sich in der historischen Entwicklung als überlegen erwiesen und ihre Zivilisation in der ganzen Welt verbreitet. Ob diese Überlegenheit auch in Zukunft bestehen werde, sei in keiner Weise gesichert. Japan etwa habe sich der progressiven Entwicklung angepasst und eine eigene Synthese entwickelt. Afrika hingegen sei weit davon entfernt; das solle aber nicht zu Abwertung und Arroganz führen, sondern zu getrennter Entwicklung und „Kooperation in gegenseitiger Achtung“. Die Theorie vom „Rassenweltkrieg“ stamme aktuell von dem Maoisten Lin Biao, dem Antikolonialisten Frantz Fanon und den Black Panther in den USA.
Singers (Eichbergs) Ziel war vielmehr die „Kooperation aller Rassen“. An den ethnischen Konflikten in London, Paris und Marseille seien nicht die farbigen Einwanderer schuld, sondern die Politiker, die diese Einwanderung betreiben. Er spricht von „pluralem Nationalismus“, von einer „revolutionären Dialektik von nationaler Selbstbestimmung und europäischer Solidarität“ und von einem vereinten Europa. Notwendig seien Systemopposition, ein nationalrevolutionäres und sozialistisches Bewusstsein und die Ablösung des Kapitalismus.
Der „rassische Antisemitismus“, so Eichberg außerdem, sei eine „unwissenschaftliche Entartung“. Die Juden seien keine Rasse und die „wertende Über- und Untermenschentheorie“ unhaltbar. Der Antisemitismus wurzle in „uralten Vorurteilen und Pogromhaltungen (einst religiös, später wirtschaftlich, in jedem Fall wohl sozialpsychologisch zu erklären)“ und habe „dazu geführt, dass eine Jahrhunderte alte deutsch-jüdische Symbiose zerstört, ein wertvoller Teil unseres Volkes unserer (und seiner) Nation entfremdet wurde“. Nach dem unter NS-Herrschaft Geschehenen habe es seine volle Berechtigung, dass „vom neuen Nationalismus in Deutschland eine klare Stellungnahme zum Antisemitismus gefordert wird“.
Diese Ausrichtung von de Benoist, Eichberg und anderen gewann, nicht in jedem einzelnen Punkt, aber in der groben Linie, besonders in den vergangenen Jahrzehnten in rechten und rechtspopulistischen Strukturen und Parteien immer mehr an Boden. Die Neue Rechte ist dabei ein heterogenes Spektrum, in das all die Kräfte eingeordnet werden können, die sich zwischen den globalistischen Konservativen und dem alten Rechtsextremismus bewegen.
Rechter Kurswechsel und Israel
Konkret gehören dazu erstens Strömungen, die sich aus dem konservativen Milieu herausentwickelt haben – etwa die MAGA-Bewegung aus der Republikanischen Partei, die Alternative für Deutschland oder Viktor Orbans Fidesz aus der Christdemokratie. Zweitens Parteien aus der alten Rechten – etwa die Freiheitliche Partei Österreichs, Marine Le Pens Rassemblement National und Giorgi Melonis Fratelli d’Italia. Und drittens neuentstandene „populistische“ Kräfte wie die Lega von Matteo Salivini, Reconquete von Eric Zemmour oder die Partij voor de Vrijheid von Geert Wilders.
Auf internationaler Ebene haben sich diese Strömungen durchwegs nicht nur vom alten Antisemitismus distanziert. Sie sind in der Regel auch islamkritisch und israelfreundlich. Das gilt etwa für Donald Trump und JD Vance, die Israel im Krieg gegen die Hamas (auch gegen die Globalisten von UNO und EU) den Rücken freihalten und sogar über eine Absiedlung der dortigen Araber nachdenken. Unterstützt werden sie dabei auch von Steve Bannon, dem Strategen der MAGA-Bewegung.
Viktor Orban unterstützt ebenfalls das israelische Vorgehen in Gaza. In Folge des Haftbefehls gegen Benjamin Netanyahu ist Ungarn sogar aus dem IStGH ausgetreten. Und die israelische Fußball-Nationalmannschaft trägt ihre Heimspiele in Budapest aus (wo sie vor dem arabisch-linksextremen Mob sicher ist).
Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni stand lange ohne Vorbehalte an Israels Seite. Aber sie ist unter den Neurechten diejenige, die sich (auch schon in der Ukraine-Frage) am meisten an die Globalisten anpasst und sich auch um ein gutes Verhältnis zu Ursula von der Leyen bemüht. Dementsprechend hat sie zuletzt beklagt, dass Israels Reaktion auf den Hamas-Überfall ein „inakzeptables Ausmaß“ erreicht habe, und angemahnt, dass sich Israel ans Völkerrecht halten müsse. Ihr Koalitionspartner Salvini ist da viel klarer, traf Israels Außenminister und versicherte ihm: „Sie können auf uns zählen.“ Salvini kritisierte auch den IStGH und die Attacken der EU-Spitzenpolitiker gegen Israel.
Das Rassemblement National unter Marine Le Pen bemühte sich seit Jahren und immer erfolgreicher um jüdische Wähler. Zuletzt attackierte sie Emanuel Macron für dessen antiisraelische Haltung und unterstützte die israelische Offensive zur Besetzung des Gaza-Streifens, um „die Hamas auszulöschen“. Und sie wurde, zum Ärger vieler europäischer Linker, von der israelischen Regierung zu einer Antisemitismus-Konferenz nach Israel eingeladen.
Der französischen Rechtspolitiker Eric Zemmour, dessen jüdische Eltern 1952 aus Algerien geflüchtet sind und der mit seiner Bewegung Reconquete von vielen in der deutschen Neuen Rechten lange als konsequentere Alternative zu Le Pen gesehen wurde, beschrieb den Gaza-Krieg als „Kampf für unsere Zivilisation“, stattete Israel einen Solidaritätsbesuch ab und verlangte ein französisches Verbot der Muslimbruderschaft, der Dachorganisation der Hamas.
Geert Wilders hat überhaupt jahrelang ein Verbot des Islam gefordert, den er für unvereinbar mit der westlichen Demokratie hielt und vielleicht hält. Er sagte, „Israel ist die erste Verteidigungslinie des Westens“ gegen die islamische Bedrohung. „Wenn Jerusalem fällt, sind Athen, Paris oder Amsterdam als Nächstes dran“, erklärte er während einer Parlamentssitzung nach dem Sturz seiner Koalitionsregierung Anfang Juni. Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) „kämpfen unseren Kampf“. „Dass unsere Mütter im Westen ruhig schlafen können, liegt daran, dass die Mütter der israelischen Soldaten wachliegen und sich fragen, ob ihre Kinder lebend aus einem im Namen der Freiheit geführten Kampf zurückkehren werden“, sagte Wilders. Es handle sich um einen Kampf „zwischen dem freien Westen und der Ideologie der islamischen Barbarei“. Einen palästinensischen Staat gäbe es seit 1946, nämlich das Königreich Jordanien (das ja aus der Teilung des britischen Mandatsgebietes „Palästina“ entstand). Wilders forderte bereits 2010 mehr israelische Siedelungen im Westjordanland und in Folge seine Annexion, damit Israel verteidigbare Grenzen erreiche. Seit der Hamas-Attacke im Oktober 2023 hängt in Wilders Büro neben der niederländischen Fahne auch eine israelische.
Die deutsche Neue Rechte
Im deutschsprachigen Raum hat sich die neurechte Wende in Bezug auf Israel weniger eindeutig durchgesetzt. Die Parlamentsparteien AfD und FPÖ sind entweder uneinheitlich oder zurückhaltend. Im Vorfeld, also in den Bereichen Theorie, Aktivismus und neurechte Medien, gibt es sehr unterschiedliche Haltungen.
Die AfD wurde erst 2013 als souveränistische und wirtschaftsliberale Partei gegründet und hat sich später gleich auf neurechter Grundlage etabliert, wobei die Spannweite an Ausrichtungen lange ziemlich groß war. In der Außenpolitik hat sich die AfD deutlich von der Russenfeindlichkeit der alten Rechten unterschieden – und sich in den letzten Jahren gegen die antirussische Kriegspolitik des globalistischen Establishments gestellt.
Die AfD betonte auch seit Jahren ihre Verbundenheit mit dem Staat Israel und ihre Sorge um die Sicherheit der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und prangert den Antisemitismus muslimischer Einwanderer an. Das Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag war lange klar pro-israelisch.
2018 wurde schließlich die parteinahe Vereinigung „Juden in der AfD“ gegründet, in der Vera Kosova, Wolfgang Fuhl, Emanuel Krauskopf, Artur Abramovych, Marcel Hirsch und Marcel Goldhammer eine wesentliche Rolle spielten. Die politischen Gegner der AfD tun diese Dinge in der Regel als Show ab, was sicherlich zu kurz greift. Ein Element des „virtue signalling“ ist aber wohl dabei. Der neurechte Theoretiker Martin Lichtmesz meinte, dass die verbissen pro-jüdische und pro-israelische Haltung der AfD vom Establishment nicht gedankt werde, und diskutierte ausführlich die demografische Lage Israels, die angesichts hoher muslimischer Geburtenraten der Europas ähnle.
Seit dem Gaza-Krieg haben sich in AfD aber auch einige Unterschiede aufgetan. Eine klare Haltung nahm AfD-Urgestein Alexander Gauland ein: In einer Rede im Bundestag am 7. Juni argumentierte er den israelischen Standpunkt der notwendigen Verteidigung gegen die Hamas, kritisierte die deutsche Hilfe für palästinensische Strukturen und postulierte: Mit Terroristen verhandle man nicht, man müsse sie bekämpfen.
Auch klar proisraelisch äußerte sich Beatrix von Storch. Ebenfalls im Bundestag, am 6. Juni, verteidigte sie Israel gegen Genozid-Vorwürfe, Israel müsse sich verteidigen und für zivile Opfer trage die Hamas die Verantwortung, weil sie sich systematisch hinter der Bevölkerung verschanze. Die Herrschaft der Hamas müsse beendet werden. Und AfD-Außenpolitiker Joachim Wundrak hatte im Oktober 2024 im Bundestag gesagt: „Wir befürworten Deutschlands Waffenlieferungen an Israel zur Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts.“
Weniger eindeutig sind die Statements von Alice Weidel. Bereits im August 2024 sagte sie in einem Interview mit WaS, dass sie das Existenzrecht Israels verteidige, aber: „Man kann über Waffen zu Verteidigungszwecken nachdenken. Waffen für weitere Offensiven sind aber nicht zielführend. Man provoziert sonst nur Gegenschläge. Das ist kein guter Weg. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu arbeitet permanent gegen die Zweistaatenlösung. Auch die israelische Regierung muss kritisiert werden dürfen“. Zuletzt stellte sich Weidel vor allem gegen das von der Bundesregierung betriebene Einfliegen von Gazanern nach Deutschland.
Ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla hatte im Oktober 2024 deutsche Waffenlieferungen an Israel angeprangert. In einer Bundestagsrede hatte er mit Blick auf Israel das Ende „exklusiver Solidaritätsbekundungen“ und „einseitiger Parteinahmen“ Deutschlands gefordert. In Teilen seiner Fraktion sorgt dies für große Verärgerung. AfD-Abgeordnete sprachen von „linkem, pazifistischem Unfug“, „unverständlichen Anwandlungen“ und einem „Tiefschlag gegen die Fraktionslinie“. In einer AfD-Chatgruppe schrieb ein Abgeordneter: „Ich verstehe nicht, wieso wir als AfD nun Israel in den Rücken fallen. Der palästinensische Terror ist ganz klar antisemitisch und islamistisch, warum hat die Fraktionsführung plötzlich etwas dagegen, wenn jemand solche Terroristen zurechtstutzt? Warum stellen wir uns gegen den einzigen jüdischen Staat weltweit, wo wir uns doch in den gemeinsamen christlich-jüdischen abendländischen Wurzeln besonders mit seinen Bürgern verbunden sehen?“
Chrupalla war aber noch weiter gegangen und stellte sich bezüglich des Konfliktes gegen „pauschale Islamfeindlichkeit“. Die Abwendung von Israel geht da also schnurstracks in eine Annäherung an den Islam über, was für einen AfD-Politiker doch Neuland war. Das brachte ihn in die Nähe von Maximilian Krah, der argumentierte, dass ihm islamische Konservative lieber seien als die queeren und liberalen Eliten, und eine Art Ethnopluralismus in Deutschland als einzig realistisches Ziel ansieht. Andererseits hatte Krah 2011 noch seine Sympathie für Israel bekundet, mit dem Sohn von Benjamin Netanyahu in Austausch gestanden, sogar auf einem israelischen Panzer posiert und war Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gewesen – und sich wiederholt über die wichtige und positive geistige Rolle von Juden in Europa geäußert.
Insgesamt ist die AfD in der Positionierung zu Israel also ziemlich uneinheitlich. Das dürfte auch dem Druck unterschiedlicher sozialer und politischer Milieus geschuldet sein. Schematisch gesagt dürften westdeutsche AfD-Unterstützer islamkritisch und israelfreundlich sein, ostdeutsche zwar auch islamkritisch, aber gleichzeitig von der jahrzehntelangen „antizionistischen“ Propaganda der DDR beeinflusst.
Und diese Uneinheitlichkeit findet sich auch im „patriotischen Vorfeld“, also in den neurechten Theorie- und Medienprojekten. Eine klar islamkritische und proisraelische Haltung nimmt „PI-News“ ein. Die „Junge Freiheit“ positioniert sich vorsichtig proisraelisch und brachte auch ein Exklusiv-Interview mit einem israelischen Minister, in dem dieser die muslimische Massenmigration nach Deutschland kritisierte und ausführte, dass Israel auch gegen die Feinde Deutschlands und Europas kämpfe (https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2025/israelischer-minister-kontert-merz/).
Das gewichtige Theorieprojekt Sezession/Antaios nimmt eine vorsichtig antiisraelische Haltung ein, wobei sich Martin Lichtmesz besonders hervortut, während sich Herausgeber Götz Kubitschek eher zurückhält und vor allem deutsche Interessen betont. Scharf antiisraelisch positioniert sich hingegen das Compact-Magazin, das viele palästinensische Narrative übernimmt und Israel etwa „Eskalation“ und „Angriffskrieg“ vorwirft. Als die USA den israelischen Krieg gegen den Iran unterstützten, erklärte Compact, dass man die vom Verlag vertriebene Silbermünze mit dem Konterfei des bisher bejubelten Donald Trump nun einschmelzen werde. Es kann darüber spekuliert werden, ob sich der ex-linke Herausgeber Jürgen Elsässer in dieser Frage von seiner alten maoistisch-„antizionistischen“ Vergangenheit nicht gelöst hat.
Die (schweizerische und) österreichische Neue Rechte
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) nimmt eine klar islamkritische und proisraelische Haltung ein. Nationalrat David Zuberbühler etwa tut sich gegen die von der Hamas unterwanderte UNRWA hervor und erklärte: „Wenn Israel fällt, fällt der Westen.“ Die SVP verlangte die Auflösung der propalästinensischen Kundgebungen an den Schweizer Hochschulen. Und die Jugendorganisation JSVP setzte nach der Kopf-ab-Geste eines Islamisten in Basel eine Belohnung in der Höhe von 5000 Franken für sachdienliche Hinweise auf den Israelhasser aus.
Anders als die AfD hat die FPÖ eine lange Geschichte. Eine neurechte Umorientierung fand erst nach der Jahrtausendwende statt. Der aus einer Nazi-Familie stammende langjährige FPÖ-Chef Jörg Haider hatte noch die traditionelle antislawische Frontstellung gegen Slowenen oder Serben sowie antisemitische Töne fortgesetzt. Letztere waren auch mit einer ausgeprägten pro-arabischen Linie verbunden: Er bereiste den Irak und Libyen, Ägypten, Kuwait und Syrien. Mit einem Gaddafi-Sohn verband ihn eine freundschaftliche Beziehung. Im Jahr 2007 unterstützte Haider als Kulturreferent in Kärnten einen türkisch-islamischen Verein mit Subventionen. Und er war ein prominenter Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei.
Es war der langjährige Parteitheoretiker Andreas Mölzer, der in diesen Fragen eine Neuausrichtung einleitete, indem er etwa ausführte, dass die Differenzen zwischen Serbien und Österreich/Deutschland historische Details gewesen und längst überwunden seien und es heute um eine gemeinsame Verteidigung der europäischen Kultur gegen Islamisierung gehe. H.C. Strache, Obmann von 2005 bis 2019, trug jahrelang die Brojanica, ein serbisches Armband. Dass es ihm dabei nur um serbische Wählerstimmen ging, reicht als Erklärung nicht aus.
Was hier stattfand, war eine strategische Neuausrichtung. Das zeigte auch der — in einer NS-Tradition undenkbare — positive Bezug der FPÖ auf Russland. Gegen Globalisierung, Amerikanisierung, außereuropäische Zuwanderung und Multikulturalismus wurden die slawischen Länder und insbesondere Russland als Verbündete bei der Verteidigung der europäischen nationalen Identitäten und der europäischen Kultur gesehen.
Im selben Zusammenhang ist die von der FPÖ unter Strache und später Herbert Kickl demonstrative Zurückweisung von Antisemitismus zu sehen. In diesem neu-rechten Konzept werden die Juden als wichtiger Teil der europäischen Kulturtradition und der Aufklärung gesehen — und Israel von manchen als Vorposten der europäischen Zivilisation im Orient. Gegen das Vordringen von Islam, Islamismus und anderen „rückständigen“ außereuropäischen Kulturen sind die Juden und Israel dann natürliche Verbündete.
In diesem Sinne sind die Verurteilung von Antisemitismus und die Hinwendung zu Israel seitens der FPÖ keineswegs irgendein Bluff, sondern ebenfalls eine strategische und ernst gemeinte Linie. In diesem Zusammenhang waren die Besuche von FPÖ-Spitzenpolitikern in Israel zu sehen — und erst recht die FPÖ-November-Pogrom-Gedenkveranstaltung 2016 mit dem israelischen Geheimdienstler Rafael Eitan, der 1960 führend an der Festnahme von Adolf Eichmann in Argentinien beteiligt war. Eine solche Gedenkveranstaltung zu Ehren der jüdischen Nazi-Opfer wäre noch unter Haider undenkbar gewesen.
Mit dem Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober 2023 positionierte sich die Parteiführung um Herbert Kickl allerdings zurückhaltend. Im Vordergrund der FPÖ-Statements standen die Anprangerung des Islamismus der Hamas und der Aktivitäten ihrer Sympathisanten in Österreich. EU-Parlamentarier Harald Vilimsky kritisierte die Überweisung von Steuergeldern an die UNWRA und hat auch die Aufnahme der Likud-Partei in die rechte EU-Fraktion „Patriots for Europe“ gefördert. Zum Konflikt zwischen Israel und seinen Feinden selbst enthielt sich die FPÖ einer klarer Parteinahme. Sie zieht sich damit auf die Position der österreichischen Neutralität zurück, wie sie es schon im Ukraine-Krieg getan hatte.
Auf dieser Linie der FPÖ liegt auch das österreichische neurechte Medium unzensuriert.at, während info-direkt.eu vor „übertriebenen Israel-Bekenntnissen“ warnt, aber auch keine dezidiert antiisraelische Position bezieht. AUF1.tv wiederum nimmt eine vorsichtig antiisraelische Haltung ein. Im Freilich-Magazin attackiert Redakteur Bruno Wolters „Israels brutale Kriegspolitik“ und fürchtet, dass „Europa den Preis dafür zahlen“ wird. derstatus.at stellt zwar einerseits in Frage, warum man in Kriegen immer Partei ergreifen müsse, reproduziert aber gleichzeitig diverse arabische und israelfeindliche Narrative – und spricht von israelischem „Staatsterror“ und „Völkermord“.
Martin Sellner, der österreichische Anführer der Identitären mit erheblicher Wirkung auf die Neue Rechte in Deutschland, hingegen agiert zurückhaltend. Er skizzierte „vier negative Idealtypen zur Israelfrage“. Er kritisiert dabei einerseits „altrechte Antisemiten“, die immer noch die Juden als Personifizierung moderner Fehlentwicklung sehen, und „neurechte Antiimperialisten“, die weit nach links gedriftet seien und sich für die Rechte der angeblich „indigenen Palästinenser“ hervortun. Andererseits stellt sich Sellner auch gegen „liberale Islamkritiker“, die Israel als Vorposten des Westens gegen den Feind Islam sehen, und gegen die „liberalen Schuldkultpatrioten“, die sich durch die „‘historische Verantwortung‘ zu einer zionistischen Außenpolitik“ verpflichtet sehen. Wie schon im Ukraine-Krieg vermeidet Sellner damit eine klare Parteinahme. Die Ursache ist, dass Sellners Anhängerschaft sowohl bezüglich Ukraine als auch bezüglich Israel/Gaza gespalten ist und er nicht einen Teil verprellen und damit sein Hauptprojekt, nämlich den Aufbau einer Front für Remigration, schwächen möchte. Er empfiehlt der Rechten in der Folge „geopolitischen Pluralismus“ (https://sezession.de/68264/voelkische-antideutsche-das-rechte-lager-und-der-nahostkonflikt).
Eine sehr klare Position, nämlich auf der israelfreundlichen Linie der internationalen neuen Rechten, nimmt hingegen report24.news ein. Man hinterfragt und entlarvt die proarabischen Narrative im globalistischen Mainstream und versteht den Kampf Israels als Teil des Widerstandes gegen den expansiven Islam. Herausgeber Florian Machl erklärte die Redaktionslinie in einer entschiedenen Stellungnahme: https://report24.news/kommentar-warum-judenhass-bei-report24-nicht-programm-ist-und-nie-programm-sein-wird/
Teil 2 besteht aus den Abschnitten „Ethnopluralismus, Islam und Israel“, „Kulturrelativismus und Counter Dschihad“ sowie „Geopolitik und Migration“.
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