In Mali hat sich die Lage in den letzten Wochen zunehmend verschlechtert. Mit Al-Kaida verbundene Milizen nähern sich der Hauptstadt Bamako. Dschihadistische Kämpfer der „Jama’at Nusrat ul-Islam wa al-Muslimin“ (JNIM), also „Unterstützungsgruppe für den Islam und die Muslime“, haben wiederholt Gegenoffensiven der malischen Regierungstruppen sowie des russischen Afrika Corps (dem Nachfolger der Wagner-Söldnertruppe) – abgewehrt.
In den vergangenen Wochen hat JNIM Bamako effektiv blockiert und konzentriert sich dabei auf essentielle Treibstoffkonvois und Versorgungsrouten. (https://www.merkur.de/politik/qaida-in-afrika-fortschritte-in-der-ukraine-aber-russen-verlieren-terrain-an-al-zr-94039086.html)
Al-Kaida in der Offensive
Die JNIM steht der Al-Kaida nahe und ist in verschiedenen Ländern Westafrikas und der Sahelzone aktiv. Die Dschihadisten treffen nun mit ihren Angriffen die Lebensader Malis. Seit Wochen brennen Tanklaster, die Routen aus dem Senegal und Mauretanien sind vermint, und die Armee ist nur noch damit beschäftigt, Konvois unter Beschuss durchzubringen. Es gibt offenbar bereits landesweit geschlossene Behörden und Schulen, weil kein Benzin mehr da ist, um den Unterricht oder die Verwaltung aufrechtzuerhalten. Das Land steht weitgehend still.
Die islamischen Terroristen haben damit ihre Vorgangsweise geändert. Hatten sich ihre Angriffe früher nur auf die dünn besiedelten Wüstenregionen im Norden zu konzentriert, attackieren sie nun auch systematisch die Versorgungsrouten des Südens. Bamako wird von mehreren Seiten her abgeriegelt. Die Armee versucht mit Luftschlägen und Bodentruppen dagegenzuhalten, aber der Nachschub wird zum Flaschenhals. (https://report24.news/mali-im-wuergegriff-der-religion-des-friedens-dschihadisten-legen-das-land-lahm/)
Die von Militärs geführte Regierung steht nun unter wachsendem Druck. Manche befürchten, dass dies zu einem vollständigen Staatszerfall führen könnte, was Al-Qaida einen historischen Sieg bescheren würde. Das wäre ein verheerender Schlag sowohl für die Region als auch für den Kontinent, der mit mehreren gleichzeitigen Aufständen islamistischer Gruppen zu kämpfen hat, darunter auch Ableger der Terrororganisation Islamischer Staat (ISIS). Beispiele dafür sind die Boko Haram in Nigeria oder die arabischen Milizen im Sudan (https://diefreiheit.info/hintergruende-der-konflikte-im-sudan-und-in-nigeria/).
Tuareg und Dschihadisten
Ein zusätzlicher Faktor in den Auseinandersetzungen in Mali sind die Tuareg, also die halbnomadischen Berberstämme in Sahelzone und Sahara. Ihre “Front populaire de libération de l’Azawad” (FLA) kämpft ebenfalls gegen die malische Regierung, unter anderem mit Drohnenangriffen auf Armee und russische Einheiten. Die Tuareg wurden dabei von ukrainischen Spezialisten in der Nutzung solcher Sprengdrohnen geschult.
„Doch zwischen den Islamisten und den Tuareg herrscht Misstrauen. Während die FLA für eine Abspaltung des Nordens kämpft, wollen die Dschihadisten ganz Mali als Kalifat unterwerfen. Von ‚komplizenhafter Neutralität‘ und ‚opportunistischen Abmachungen‘ ist in einem islamistischen Leitartikel die Rede, der die ebenfalls moslemischen Tuareg als Verräter an der Sache des Glaubens brandmarkt. So kämpfen zwei Gruppierungen, die denselben Feind – den Westen und den Staat – hassen, gegeneinander um das größere Stück vom Wüstenkuchen.“ (https://report24.news/mali-im-wuergegriff-der-religion-des-friedens-dschihadisten-legen-das-land-lahm/)
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Russland und die „Konföderation der Sahelstaaten“
Bis vor wenigen Jahren hatte Frankreich in der Region das Sagen und hat die Länder (erfolglos) gegen die Dschihadisten unterstützt. 2022/23 hat sich die Situation wesentlich geändert. Angesichts der prekären Sicherheitslage kamen in Mali im Mai 2021, in Burkina Faso im September 2022 und in Niger im Juli 2023 Militärregierungen an die Macht. Sie stürzten die bisherigen profranzösischen Regimes, warfen die französischen Truppen aus den Ländern und orientierten sich an Russland, das militärische Hilfe schickte.
Nach Interventionsdrohungen der profranzösischen westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS schlossen sich die drei Staaten im September 2023 zur „Konföderation der Sahelstaaten“ zusammen, die sich gegenseitigen militärischen Beistand versicherten. Vorangetrieben wurden auch die wirtschaftliche Kooperation, eine Währungsunion und eine enge politische Zusammenarbeit bis hin zu einem gemeinsamen Pass.
Die russischen Söldner, zunächst die Wagner-Truppe, dann das staatlich finanzierte Afrika-Korps, konnten zwar anfänglich Erfolge aufweisen, mussten zuletzt aber auch erhebliche Verluste hinnehmen und konnten den Vormarsch der JNIM-Dschihadisten bisher nicht aufhalten. Das ist für Russland ein zunehmendes Imageproblem, denn was es den Sahelländern bieten kann, sind weniger ökonomische Vorteile als sicherheitspolitische Expertise. Erweist sich diese als erfolglos, wäre das ein schwerer Schlag für Russlands Ruf in der Region. Und Al-Kaida gelänge es, nach Syrien Russland ein weiteres Land zu entreißen.
Hintergründe und Zusammenhänge
Mali hat 22 Millionen Einwohner (Burkina Faso 24 Millionen, Niger 27 Millionen). Da eine Frau in Mail durchschnittlich sechs Kinder bekommt, hatte sich die Bevölkerungszahl seit 2020 mehr als verdoppelt. Etwa 85 Prozent der Frauen sind aufgrund archaischer Traditionen genitalverstümmelt. Es gibt in Mali etwa 30 Ethnien, wobei 40-45 Prozent den Mande angehören, 21 Prozent den Sudanvölkern, 12 Prozent den Voltavölkern. Im Unterschied zu diesen drei sesshaften Gruppen führen die Fulbe (10 Prozent) und die Tuareg (6 Prozent) ein zumindest halbnomadisches Leben.
In der Wirtschaft Malis spielt noch immer die Landwirtschaft eine wesentliche Rolle; sie beschäftigt 80 Prozent der Bevölkerung und trägt 40 Prozent zum BIP bei. Der zweite wichtige Sektor in Mail ist der Bergbau. Gefördert werden Erdöl, Diamanten, Bauxit, Lithium – und insbesondere Gold, das über 70 Prozent der Exporteinnahmen ausmacht.
Zwischen 85 und 90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime (der Rest Animisten und Christen). Unter den Islamgläubigen sind der Sufismus und esoterische Elemente stark vertreten. Das hat historische Gründe, denn dadurch, dass Raum für Geister- und Dämonenglaube gegeben wurde, war die Islamisierung der naturreligiösen Heiden leichter zu bewerkstelligen gewesen. Den dschihadistischen Fanatikern von JNIM / Al-Kaida ist das natürlich ein Dorn im Auge. Sie betrachten das als unreinen Islam, der gesäubert werden muss.
Historische Traditionen
Der aktuelle Konflikt hat auch in Mali historische Wurzeln. Vom 4. bis ins 11. Jahrhundert bestand das Ghana-Reich, das zur Hälfte im heutigen Mali lag. Dieses afrikanische Sakralkönigtum wurde schließlich im 11. Jahrhundert unter dem Druck berberischer Glaubenskämpfer islamisiert. Im Anschluss stieg das ebenfalls islamisierte Mali-Reich auf und war in der Region vom 11. bis ins 14. Jahrhundert hegemonial. Deutlich weiter im Osten war das ebenfalls islamisierte Kanem-Reich dominant.

Bibliothèque nationale de France, Public domain, via Wikimedia Commons
Vom 8. bis 11. Jahrhundert wurden die subsaharischen afrikanischen Gebiete in eine regelrechte „Lieferzone“ verwandelt, aus der systematisch Sklaven in die arabisch-islamischen Kerngebiete, also auf die arabische Halbinsel, in den Nahen Osten sowie nach Nordafrika, verschleppt wurden. Die Emirate von Mali und Kanem spielten dabei eine zentrale Rolle. Sie waren von den Arabern mit Waffen und Pferden ausgerüstete Raubstaaten, deren ökonomische Existenz weitgehend darauf beruhte, benachbarte afrikanische Völker zu überfallen, junge Menschen zu verschleppen und an die Araber zu verkaufen. Auf diese Weise dürften 17 bis 20 Millionen Afrikaner in die arabischen Gebiete deportiert worden sein.

Watson, Charles R. (Charles Roger), 1873-1948, Public domain, via Wikimedia Commons
Dazu kam mindestens noch einmal dieselbe Zahl von Menschen, die bei den Sklavenrazzien ermordet wurden, weil sie Widerstand geleistet hatten oder als Kleinkinder, Alte oder Schwache unbrauchbar waren. Auf diese Weise wurden tausende afrikanische Ethnien vollständig ausgelöscht. Fand man zum Verschleppen nicht genügend animistische Opfer, wurden afrikanische Muslime versklavt, denen man unterstellte, dass ihr Glaube unecht und unrein sei – eine Haltung, die sich im heutigen Konflikt reproduziert.
Mord an TikTokerin als Ankündigung
In Mali wurde die junge TikTok-Influencerin Mariam Cissé (25) von Dschihadisten verschleppt und auf offener Straße erschossen. Cissé war in ihrer Heimatstadt Tonka in der Region Timbuktu bekannt. Auf der Plattform TikTok verfolgten mehr als 100.000 Menschen ihre Videos, in denen sie das Alltagsleben im Norden Malis zeigte – aber auch offen ihre Unterstützung für die malische Armee ausdrückte.
Am 6. November 2025 wurde Cissé von bewaffneten Kämpfern der JNIM auf einem Markt in Tonka entführt. Am Abend des 7. November brachten die Dschihadisten die junge Frau zurück in das Zentrum der Stadt. Auf dem Unabhängigkeitsplatz von Tonka wurde sie vor einer versammelten Menschenmenge erschossen. (https://report24.news/religion-des-friedens-islamisten-in-mali-richten-jungen-tiktok-star-oeffentlich-hin/)
Bei dem Mord an Cissé handelt es sich offensichtlich um ein „Zeichen der Einschüchterung“, mit dem andere davon abhalten werden sollen, öffentlich die Regierung oder die Armee zu unterstützen. Die Art des Verbrechens ist aber gleichzeitig auch eine Demonstration, welche Macht die islamistische Terrorgruppe mittlerweile selbst in Städten hat, die offiziell unter Kontrolle der Regierung stehen.
Und schließlich ist diese islamistische Bluttat auch eine Ankündigung. Für die Dschihadisten hat sich eine Frau in ihre verhüllte Rolle zu Hause zu fügen. Sie hat nicht öffentlich aufzutreten und sich schon gar nicht politisch (und noch dazu gegen die Islamfanatiker) zu äußern. Das ist kein spezifisches Phänomen in Mali. Überall, wo die Dschihadisten an Macht gewinnen, sind Frauen besonders von ihren bestialischen Brutalitäten betroffen: die Mädchen der Jesiden durch den IS, die jungen Israelis am Nova-Festival durch die Hamas, die drusischen Frauen durch die Al-Kaida-Nachfolger in Syrien und die afrikanischen Frauen in Darfur durch die arabischen Milizen.
Dieser Beitrag erschien zuerst hier: https://transition-news.org/westafrika-mali-im-visier-der-dschihadisten
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