Schwedische Telekom-Unternehmen schrieben im August jene Mitarbeiter an, die sie für den «Kriegseinsatz bestimmt» haben und die im «Fall erhöhter Alarmbereitschaft oder eines Krieges» die Funktion der Kommunikationssysteme aufrechterhalten sollen. Im Beschluss der schwedischen Regierung zur «Totalen Verteidigung 2025 bis 2030» werden Mobilfunknetze sowohl für die Zivilbevölkerung als auch für die schwedischen Streitkräfte als wichtig angesehen.
Das Gesetz, das die Pflicht zur «totalen Verteidigung» regelt – Lag (1994:1809) om totalförsvarsplikt –, stammt bereits aus dem Jahr 1994. Es besagt, dass alle Männer und Frauen zwischen 16 und 70 eine «Allmän Tjänsteplikt» – allgemeine Dienstpflicht – leisten müssen, selbst wenn sie keine schwedischen Staatsbürger sind. Jeder kann im Fall eines Krieges oder einer Kriegsgefahr zu zivilen Einsätzen verpflichtet werden. Es obliegt der schwedischen Arbeitsvermittlung, passende Aufgaben zu finden.
NATO und die Ukraine
Am 6. März 2024 waren zwei US-amerikanische Bomber, begleitet von zwei schwedischen Saab Gripen-Kampfjets, im Tiefflug über Stockholm zu sehen und zu hören. Just am selben Tag flogen der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson und der damalige Außenminister Tobias Billström – er legte noch im gleichen Jahr sein Amt zurück – nach Washington, um den Vertrag zu unterzeichnen, der Schweden zum offiziellen NATO-Mitglied machte.
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Eigentlich hatte das skandinavische Land bereits am 18. Mai 2022 seinen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft eingereicht, doch der Beitritt Schwedens zum Militärbündnis war von der Türkei und Ungarn fast zwei Jahre lang blockiert worden. Währenddessen stieg die Zustimmung der Bevölkerung zur NATO, die Anfang 2022 bei rund 40 Prozent lag, auf 63 Prozent.
Ob die Verzögerung nur dazu dienen sollte, die Stimmung der Schweden zugunsten des Militärbündnisses zu drehen? Schließlich verging kaum eine Woche, in der das Antlitz Wladimir Putins nicht drohend auf den Titelseiten der Boulevard-Zeitungen prangte.
Der Krieg in der Ukraine wird von offizieller Seite auch immer wieder als «große Bedrohung» und als Hauptgrund angeführt, warum Schweden – wie bereits während des Kalten Krieges – seit 2024 verstärkt auf totale Verteidigung setzen müsse. Auf der Website der Regierung heißt es dazu knapp:
«Die Totale Verteidigung Schwedens betrifft die gesamte Gesellschaft. Die Totale Verteidigung umfasst alle Maßnahmen, die zur Vorbereitung Schwedens auf einen Krieg erforderlich sind.»
Rüstungsbudget und -exporte
Schwedens Rüstungsbudget für das Jahr 2025 beträgt 143 Milliarden schwedische Kronen (13 Milliarden Euro) – ein Anstieg um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das entspricht laut dem Berechnungsmodell der NATO 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Um die Ziele der NATO – 3,5 Prozent für militärische Ausgaben plus 1,5 Prozent für den Zivilschutz – zu erreichen, sind jedoch zusätzliche 70 Milliarden Kronen (6,2 Milliarden Euro) pro Jahr erforderlich.
Das schwedische Parlament stimmte zu, bis zu 300 Milliarden Kronen (27 Milliarden Euro) neue Schulden aufzunehmen, um die Aufrüstung zu beschleunigen. Davon sind 50 Milliarden (4,5 Milliarden Euro) für den Zivilschutz vorgesehen.
Die Staatsverschuldung Schwedens lag im ersten Quartal 2025 bei 33,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und liegt damit im Vergleich zu vielen anderen EU-Staaten relativ niedrig.
Natürlich hofft die Regierung, dass die NATO-Mitgliedschaft zu erhöhten Rüstungsexporten führt. Bereits 2024 stiegen die Waffenexporte des Königreichs um 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. «Die weltweit größten Waffenexporteure in den Jahren 2020 bis 2024 waren die USA, Frankreich, Russland, China, Deutschland, Italien, Großbritannien, Israel, Spanien und Südkorea», schreibt dazu die schwedische Friedensorganisation Svenska Freds. Und «Schweden belegte den 14. Platz».
Doch nicht nur in Schweden steigen die Rüstungsausgaben. Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SPIRI stiegen die weltweiten Militärausgaben 2024 das zehnte Jahr in Folge und erreichten mit 2,7 Billionen US-Dollar einen neuen Rekordwert. Dies sei der größte Anstieg seit dem Ende des Kalten Krieges. Dabei tätigten im vergangenen Jahr die USA, China, Russland, Deutschland und Indien die höchsten Militärausgaben.
Schweden entlastet private Haushalte
Steigende Rüstungsbudgets gehen meist zulasten sozialer Leistungen. Doch Schweden scheint derzeit einen anderen Weg zu gehen. 80 Milliarden schwedische Kronen (7,2 Milliarden Euro) sollen im Jahr 2026 – einem Wahljahr – privaten Haushalten zugutekommen. Die Regierung will damit den Binnenkonsum fördern und schneller aus der Rezession kommen. Finanzministerin Elisabeth Svantesson von den bürgerlichen Moderaten erklärte am 20. August bei einer Pressekonferenz:
«Es wird kein konservativer Haushalt sein, das wäre eines der schlimmsten Dinge, die man in dieser Situation tun kann. Wir müssen die Wirtschaft ankurbeln und den Haushalten einen Schub geben»
Im Gespräch sind eine zeitlich beschränkte Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von derzeit zwölf auf sechs Prozent sowie eine Erhöhung der Kinderbeihilfe. Wie die Entlastungen im Detail aussehen sollen, wird erst Ende September bekanntgegeben. Bereits beschlossen: Ab 1. Januar 2026 wird der Zahnarztbesuch für alle ab 67 wesentlich günstiger. Sie zahlen dann nur mehr zehn Prozent statt der vollen Behandlungskosten. Dafür müssen junge Leute zwischen 19 und 23 ab demselben Datum ihre Zahnarztkosten selbst tragen.
Skeptische Jugend
Wie sieht denn eigentlich Schwedens Jugend ihre Zukunft? Ist sie bereit, für ihr Land einzustehen? Dazu befragte die staatliche Agentur für Jugend- und Zivilgesellschaftsangelegenheiten (MUCF) 12000 junge Menschen im Alter von 16 bis 29 Jahren.
Laut dieser aktuellen Untersuchung sind zwei Drittel der Jugendlichen bereit, sich im Krisenfall innerhalb der Zivilgesellschaft einzubringen, aber zur militärischen Verteidigung wollen nur 41 Prozent beitragen. Und dass Verteidigung eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen sei, finden bloß 14 Prozent der jungen Schwedinnen und Schweden.
Optimistisch in die Zukunft Schwedens blicken der Jugendstudie zufolge 36 Prozent der Befragten, und nur jeder Fünfte glaubt, dass er die Möglichkeit hat, gegenüber den Entscheidungsträgern seine Meinung zu äußern.
Dieser Text wurde zuerst von Transition News veröffentlicht: https://transition-news.org/schweden-wieder-auf-dem-sonderweg
Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
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