Pakistan gegen Indien – Hintergründe des Konfliktes

Die beiden Atommächte am indischen Sudkontinent haben tagelang gegenseitig Militärstützpunkte beschossen. Es war nicht ihr erster Konflikt und er hat tiefe historische Wurzeln.
Prime Minister's Office, GODL-India, via Wikimedia Commons

Auslöser der jüngsten Eskalation war ein Anschlag am 22. April im indischen Teil Himalaya-Region Kaschmir. Indien macht dafür muslimische Extremisten mit Verbindungen nach Pakistan verantwortlich. 34 Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, darunter 26 indische Touristen, ein Besucher aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, ein weiterer aus Nepal sowie mehrere indische Sicherheitskräfte.

Indisch-pakistanische Kriege

Teilweise in Zusammenhang mit dem Territorialkonflikt um die Region Kaschmir ist es bereits zu mehreren Kriegen zwischen Pakistan und Indien gekommen, nämlich von 1947 bis 1949, 1965 und 1971. Dazu kam 1999 der kriegsähnliche Kargil-Konflikt.


Der Krieg Ende der 1940er Jahre endete nach etwa 8000 Toten mit der Teilung Kaschmirs in einen pakistanischen und einen indischen Teil. 1965 wurde nach Luftangriffe, einer großen Panzerschlacht und 7000 Toten der Ausgangszustand wiederhergestellt. 1971 versuchte Pakistan, das Unabhängigkeitsbestreben von Bangladesch, das bis dahin zu Pakistan gehört hatte, zu unterdrücken. Mit indischer Hilfe konnte sich Bangladesch durchsetzen.

Teilung des Subkontinents

Die indische Unabhängigkeitsbewegung gegen die britische Herrschaft war seit Ende des 19. Jahrhunderts von der säkular ausgerichteten Kongresspartei dominiert. Sie strebte einen demokratischen Staat an, in dem Hindus, Muslime, Buddhisten, Sikh und Christen gleiche staatsbürgerliche Rechte haben sollten. Dem stellte sich ab 1906 die Muslimliga entgegen, die einen eigenen muslimischen Staat forderte.

Sie sollte sich schließlich durchsetzen – und mit dem Abzug der Briten 1947 Pakistan bekommen, bestehend aus dem heutigen (West-) Pakistan und aus Ostpakistan (später Bangladesch). Im Verlauf des Teilungsprozesses kam es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die zum Tod von etwa einer Million Menschen führte. Etwa 20 Millionen wurden im Zuge der Aufteilung Britisch-Indiens deportiert, vertrieben oder umgesiedelt.

Beidseitige Vertreibungen?

Anders als im medialen Mainstream meist dargestellt, haben dabei nicht beide Seiten gleichermaßen irgendwie „unschön“ agiert. Übergriffe gab es sicherlich von beiden Seiten, dennoch bestehen erhebliche Unterschiede.


Die meisten Muslime haben Indien verlassen, weil sie es nicht akzeptabel finden, in einem von Ungläubigen dominierten Staat zu leben. Dass es für Islamgläubige möglich war, in Indien zu bleiben, zeigt die Tatsache, dass heute in Indien mit 180 Millionen 14 Prozent der Bevölkerung muslimisch sind.

Umgekehrt wurde Pakistan rigoros von Ungläubigen gesäubert, sodass heute nur noch 2 Prozent der pakistanischen Bevölkerung Hindus sind, die im explizit islamischen Staat Pakistan ihre Religion nicht öffentlich ausüben dürfen. Dass sich muslimischer Hass auf Ungläubige nicht nur gegen die verfeindeten Hindus richtete, zeigt die Minderheit der Sikh, deren Angehörige in Pakistan 1947 ermordet, vergewaltigt, beraubt und nach Indien vertrieben wurde, wo sie als eigene religiösen Gruppe gedeihlich leben kann.

Islamische Expansion

Die Wurzeln des muslimisch-hinduistischen Konfliktes reichen allerdings viel tiefer als in die 1940er Jahre, nämlich in die Zeit der islamischen Expansion. Die arabisch-nomadische Gesellschaft hatte in den Islam von Anfang an starke Züge von Krieg, Expansion, Raub und Beute eingebracht, die nun religiös überhöht wurden. Neben den muslimischen Expansionen in Nordafrika, Südeuropa und Westasien stießen die kriegerischen Islambefolger nach dem Fall des persischen Reiches weiter nach Osten vor.

Eine Folge davon war die Vernichtung der buddhistischen Zivilisationen in Zentralasien, beginnend im frühen 8. Jahrhundert, bei der nach manchen Schätzungen in einem Zeitraum von etwa 300 Jahren bis zu 10 Millionen Buddhisten von den muslimischen Kolonialisten ermordet wurden (den Schlusspunkt setzten die Taliban mit der Sprengung der berühmten Buddha-Statuen im Tal von Bamiyan im Jahr 2001).

Ebenfalls um 710 begannen erste muslimische Überfälle auf Indien. Mahmud von Ghazni (998–1030) führte insgesamt 17 Feldzüge das Industal, wobei die Kavallerie der Invasoren sich dem indischen Fußheer mit seinen Elefanten häufig überlegen zeigte. Den Islamgläubigen gelang es so, sich in Nordwestindien festzusetzen und um 1200 das Sultanat von Delhi zu gründen, das große Teile Nordindiens umfasste. Nach innermuslimischen Konflikten folgte im frühen 16. Jahrhundert das islamische Mogulreich, das große Teile Indiens beherrschte und bis zur britischen Übernahme 1858 Bestand hatte.


Indien unter dem Islam

Je nach Region stand Indien also bis zu 700 oder 800 Jahre unter muslimischer Herrschaft. Durch die zahlreichen militärischen Konflikte und die Repressalien sollen über die Jahrhunderte an die 70 Millionen Hindus von den Islambefolgern ums Leben gebracht worden sein. Zwei Millionen Inder wurden als Sklaven in islamische Gebiete verschleppt, hauptsächlich junge Frauen und Mädchen (Männer oft erst nach einer Kastration, wobei viele verbluteten).

Wie überall unter islamischer Herrschaft mussten die „Ungläubigen“ die „Jizya“, eine Sondersteuer zahlen. Viele hinduistische Klöster und Tempel wurden zerstört. Das Mogulreich war zeitweise liberaler als das Sultanat von Delhi, so wurde im 16. Jahrhundert die Jizya für Hindus vorübergehend ausgesetzt. Besonders ab 1679 wurde wieder ein scharfer Kurs gefahren: Wiedereinführung der Jizya, Zerstörung von Hindu-Tempeln, Verbot von Pilgerfesten, Scharia als Grundlage des Rechtswesen.

Islamisierung

Ziel war ohnehin die Islamisierung des Landes, die wie auch in Nordafrika und im Nahen Osten über mehrere Schienen lief: 1) Ansiedlung von Muslimen als herrschende Schicht, 2) Raub von ungläubigen Mädchen, die als Dritt- oder Viertfrauen von Islambefolgern die Demografie in die muslimische Richtung bewegen, 3) ökonomischer und gesellschaftlicher Druck durch Jizya und ständige Demütigung der Ungläubigen. Dazu kam in Indien ein vierter Punkt, nämlich das veraltete Kastenwesen, das den untersten Kasten ein elendes Leben zuwies und sie dazu motivierte, zum Islam zu konvertieren.

Diese Mechanismen führten über die Jahrhunderte zu einer schleichenden Islamisierung des Landes, mit den Schwerpunkten im späteren Pakistan und Bangladesch. Sie sind die Wurzel der heute insgesamt 570 Millionen Muslime am indischen Subkontinent. Und sie haben sich als integraler Bestandteil der islamischen Kolonialisierung tief in das kollektive historische Gedächtnis der Hindus eingegraben. So wie Serben oder Griechen am Balkan oder wie die buddhistische Mehrheitsbevölkerung in Burma wissen die Hindus und Sikh in Indien sehr gut, was muslimische Herrschaft in der Praxis bedeutet. Und das hinduistische Reich von Vijayanagar in Südindien gilt vielen Hindus bis heute als Symbol des Widerstandes gegen die islamische Kolonialherrschaft.

Die Hindus unterscheiden sich damit von vielen „postkolonialistischen“ naiven Europäern und Nordamerikanern. Und so ist kein Zufall, dass es in den USA oder Britannien oftmals konservative Politiker mit indisch-hinduistischen Wurzeln sind, die klare Worte zum Islam finden.

Ram-Tempel und Babri-Moschee

Indien hat eine doppelte Kolonialherrschaft hinter sich, eine kurze britische und eine lange muslimische. Letztere kommt auch in modernen Konflikten in Indien immer wieder zum Ausdruck, sehr dramatisch 1992 um eine Moschee in Ayodhya, die 1528 auf Befehl des Mogulherrschers Babur auf den Grundfesten eines von den islamischen Eroberern zerstörten Hindu-Tempels errichtet wurde. Dem hinduistischen Glauben nach soll an diesem Ort vor 900.000 Jahren Rama, eine Inkarnation des Gottes Vishnu, geboren worden sein.

Heilige Orte der Unterworfenen für den Islam in Besitz zu nehmen und zu überschreiben, war bei der muslimischen Expansion gängige Praxis. So errichteten Islamgläubige nach der Eroberung Jerusalems ab 638 ihre Moschee ausgerechnet dort, wo (vor der römischen Zerstörung 70 n. Chr.) der jüdische Tempel gestanden hatte. Und aus der Hagia Sophia in Konstantinopel, der wichtigsten Kirche der orthodoxen Christen, machten die osmanischen Herrscher 1453 umgehend eine Moschee.

Während das europäisch-liberale Israel immer entgegenkommend war und eine Ersetzung der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem durch einen neuaufgebauten Tempel nie angedacht hat, sind Hindu-Nationalisten weniger zurückhaltend. Im Dezember stürmten 100.000 Aktivisten das Gelände der Babri-Moschee in Ayodhya und zerstörten das Gebäude. Bei den Unruhen kamen etwa 2000 Menschen ums Leben. In der Folge wurden vom indischen Staat zahlreiche Beteiligte verhaftet und Organisationen verboten, 2019 die heilige Stätte aber den Hindus zugesprochen und 2024 ein großer Tempelkomplex eröffnet.

Indien und Pakistan heute

Pakistan ist seit seiner Entstehung ein autoritärer Staat, schwankend zwischen Militärdiktatur und Islamismus. Eine rigide Auslegung des Islam ist Staatsreligion, die ganz kleinen Minderheiten der Hindus und Christen werden erbarmungslos drangsaliert, Menschen in Folge harmloser oder angedichteter Aussagen wegen „Beleidigung des Propheten“ zum Tode verurteilt oder unter staatlicher Duldung gelyncht. Die Arbeiterbewegung wird brutal unterdrückt. Pakistan spielte in den 1980er Jahren eine zentrale Rolle beim Sturz der säkularen Regierung in Afghanistan, in 85 pakistanischen Lagern wurden jahrelang die islamistischen Banden für den Einsatz im Nachbarland trainiert.

Auch Indien ist nicht zu beschönigen. Das reaktionäre Kastensystem wirkt immer noch nach. Die Situation von Frauen ist zwar nicht so schlimm wie in vielen muslimischen Ländern, aber schlimm genug, wie immer wieder dramatische Fälle zeigen. Darüber hinaus herrscht in Indien ein ausbeuterisches kapitalistisches System, an der Regierung sind seit 1998 sind die Hindu-Nationalisten. Dennoch gab es in Indien in den letzten Jahrzehnten auch erhebliche Modernisierungen. Und Indien verfügt seit seiner Unabhängigkeit über ein demokratisches System, das deutlich mehr politische, religiöse und persönliche Freiheiten lässt als das verfeindete Nachbarland.

Daraus ergibt sich, dass Kritik an beiden Gesellschaften und Staaten legitim und notwendig ist. Äquidistanz aber ist nicht angebracht. Historisch gesehen waren die Islamgläubigen der Aggressor gegen die Hindus, Sikh und Buddhisten. Aktuell ist die indische Gesellschaft unterm Strich die modernere und weniger autoritäre.

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