Israel und der Iran im Krieg

Früher als erwartet hat Israel seinen Präventivkrieg gegen den Iran begonnen. Die große Frage wird sein, inwieweit USA und Russland in die militärische Auseinandersetzung involviert sein werden.
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„Wir sind im Krieg“, sagte ein Sprecher des israelischen Militärs. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach vom Start einer gezielten Militäroperation, „um die iranische Bedrohung für das Überleben Israels zurückzudrängen.“

Aktuelles Geschehen

Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim bestätigte, dass Generalmajor Hossein Salami bei einer Attacke auf das Hauptquartier des Oberkommandos der Revolutionsgarden getötet worden ist. Salami galt als einer der mächtigsten Männer in der Islamischen Republik.


Auch Armeechef Mohammed Bagheri wurde laut dem Staatsfernsehen getötet. Bestätigt wurde von der staatlichen Agentur Tasnim zudem die Tötung von zwei bekannten Atomwissenschaftlern, Mohammad Mehdi Teheranchi und Fereydoun Abbasi-Davani.

„Wir haben das Herz der iranischen Kernwaffenanreicherung getroffen“, sagte Netanyahu in seiner Rede. Israelische Piloten hätten die iranische Hauptanreicherungsanlage Natans beschossen. Der Schlag gegen den Iran werde Irans Atominfrastruktur und seine militärische Stärke schaden, so Netanjahu weiter.

Es wird auch berichtet, dass israelische Spezialeinheiten neben Luftangriffen auch Operationen am Boden gestartet hätten, um wichtige Raketen- und Luftabwehrstellungen zu neutralisieren. Die israelische Operation werde „so viele Tage andauern, wie es braucht, um diese Bedrohung zu beseitigen“. Israel habe, so eine Militärsprecher, einen „breit angelegten Angriffsplan für die kommenden Tage“.

In Israel wurde der Notstand ausgerufen. Während der iranische Gegenschlag mit Drohnen und ballistischen Raketen anlief, begab sich die israelische Bevölkerung in die Schutzräume. Israels Verteidigungsminister Israel Katz sprach zuvor von einem „Präventivschlag“. Laut Geheimdienst sei der Iran beim Atomprogramm nahe einer unumkehrbaren Schwelle, hieß es in Israel.

Das iranische Außenministerium erklärte, die Angriffe hätten „nicht ohne die Koordinierung und Genehmigung der Vereinigten Staaten ausgeführt worden sein“ können, erklärte das Außenministerium in Teheran.

Die USA sind Regierungsangaben zufolge nicht an dem israelischen Angriff auf den Iran beteiligt. Es handle sich um eine unilaterale Aktion, erklärte Außenminister Marco Rubio. Israel habe die USA darüber informiert, dass es diese Aktion für seine Selbstverteidigung für notwendig halte. Rubio warnte den Iran vor Angriffen auf US-Ziele.


Hintergründe

Die meisten Beobachter hatten einen israelischen Angriff erst für kommende Woche erwartet. Denn am Sonntag, den 15. Juni, sollte die Frist ablaufen, die die US-Regierung dem iranischen Regime für ein neues Atomabkommen gesetzt hatte.

Kaum jemand erwartete eine Einigung. Der Gouverneursrat der Internationalen Atomagentur IAEA hatte am Donnerstag in Wien auf Basis eines IAEA-Berichts in einer Resolution festgestellt, Teheran verletze seine Verpflichtungen. Der Iran reagierte und kündigte eine weitere Urananreicherungsanlage an.

Indem Israel nicht bis Anfang kommender Woche wartete, wollte man offenbar einen gewissen Überraschungseffekt erzielen. Ein Angriff war in Israel seit Wochen diskutiert worden. Die Wahrscheinlichkeit war gestiegen – nach den Erfolgen gegen diverse Proxys des Iran. Die Hamas am Ende, die Hisbollah massiv geschwächt, das syrische Regime gestürzt (und seine militärischen Kapazitäten durch Israel so geschwächt, dass die nachfolgenden Islamisten wenig Potential haben), die Huthis im Jemen etwas geschwächt.

Die wesentliche Frage war die Haltung der USA. Von einer „Ampel“ war dabei die Rede. Grün hätte bedeutet, dass die USA mitmachen, orange, dass die USA ohne Beteiligung das OK geben, rot, dass die USA strikt dagegen sind. Offenbar ist die aktuelle Variante orange.

Iranfreundliche Autoren im Westen haben in den letzten Wochen angesichts des bevorstehenden Angriffs davon gesprochen, dass die iranischen Atomanlagen mittlerweile 600 bis 800 Meter unter der Erdoberfläche liegen würden, in weitverzweigten Stollen tief im Gebirge. Die israelischen Bomben hätten nur eine Zerstörungskraft von 100 Metern in die Tiefe. Selbst gigantischere US-Bomben würden kaum mehr so weit nach unten kommen.


Das unabhängig einzuschätzen, ist schwierig. Allerdings bestehen die israelischen Geheimdienste und Militär gewöhnlich aus sehr kompetenten Leuten, die wissen, was sie tun. Der israelische General und Gründer des „Israel Defense and Security Forum“ Amir Avivi äußerte sich am 10. Juni sehr optimistisch: https://www.youtube.com/watch?v=OKNgeZeQsto

Perspektiven

Wie sich der militärische Schlagabtausch zwischen dem Iran und Israel entwickelt, werden die kommenden Tage zeigen. Eine entscheidende Frage für die globale Entwicklung wird sein, inwieweit die USA und Russland involviert werden.

Werden US-Systeme Israel bei der Luftabwehr helfen? Wird der Iran US-Ziele, etwa US-Schiffe oder US-Einrichtungen in arabischen Ländern, angreifen? Wird der Kampf zwischen den Huthis und der US-Flotte neu aufflammen? Wird Russland seinem Verbündeten Iran helfen und damit eine Konfrontation mit Israel und den USA riskieren?

Und geopolitisch stellen sich noch weitere Fragen: Ist es denkbar, dass sich die zur aktuellen Regierung loyalen Teile der US-Geheimdienste nicht im Vorfeld mit den russischen Kollegen für den Fall eines solchen Angriffs besprochen haben? Wird nicht zumindest ein Geheimdienstprofi wie Wladimir Putin entsprechenden Austausch gesucht haben? Hatte der russische Präsident nicht zumindest früher eine gute Beziehung zu Netanyahu? Kann es sein, dass Russland Israel und den USA im Mittleren Osten bis zu einem gewissen Grad freie Hand lässt und dafür von den USA für die bevorstehende russische Sommeroffensive in der Ukraine nicht allzu sehr behindert wird?

Noch grundsätzlicher zur Bewertung des Konfliktes argumentieren so manche „antiimperialistische“ Linke, dass doch auch die USA, Großbritannien, Frankreich, etliche andere Länder und auch die „zionistischen Aggressoren“ Atomwaffen hätten. Solle der Iran doch auch das Recht dazu haben, dann könne er sich gegen imperialistischen Druck besser wehren. Und schließlich seien die USA das einzige Land, das bisher Atomwaffen auch eingesetzt hätten.

Letzteres stimmt, in Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Es ging damals um zwei Dinge – um eine Machtdemonstration gegenüber der erstarkten Sowjetunion und um eine Schonung eigener Soldaten gegen das japanische Regime, das in einer Art Todeskult auch Monate nach dem Kriegsende in Europa bereit war, bis zum letzten Japaner zu kämpfen.

Danach aber haben sich sämtliche Atomnationen – sowohl die westlichen Länder als auch die stalinistischen Regime der Sowjetunion, Chinas und Nordkoreas – nicht zum Einsatz von Atomwaffen verleiten lassen. All diese politischen Systeme sind mehr oder weniger Vernunft zugänglich. Ihre Führungen wollen nicht, dass sie selbst und ihre Völker vernichtet werden (selbst die Nazis haben angesichts des Untergangs nicht die Giftwaffen eingesetzt, über die sie verfügt haben).

Bei islamischen Extremisten ist das anders. Sie sind Anhänger eines Todeskultus. 1938 veröffentlichte Hasan al-Banna, der bis heute verehrte Gründer der Muslimbruderschaft, sein Werk „Die Todesindustrie“, in welchem die Abwendung vom Leben und die Verherrlichung des Märtyrertums ausgeführt wird:

„Derjenigen Nation, welche die Industrie des Todes perfektioniert und die weiß, wie man edel stirbt, gibt Gott ein stolzes Leben auf dieser Welt und ewige Gunst in dem Leben, das noch kommt. Die Illusion, die uns gedemütigt hatte, besteht in nichts anderem als der Liebe zum weltzugewandten Leben und dem Hass auf den Tod.“

Und Al-Banna formulierte auch die prägnanten Grundsätze der Muslimbrüder: „Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Dschihad ist unser Weg. Der Tod für Gott ist unser nobelster Wunsch.“ Diese Leitsätze verwenden die Muslimbrüder bis zum heutigen Tag als Motto.

Dementsprechend opfert die Hamas, die palästinensische Teilorganisation der Muslimbrüder, bedenkenlos die Bevölkerung für die islamische Sache. Märtyrertum für den Dschihad gilt als das nobelste Ziel. Und im Paradies warten schon 72 Jungfrauen.

Suha Arraf, eine palästinensische Feministin mit israelischem Pass, hat 2012 für eine sehenswerte Doku vier Frauen der Hamas in ihrem Alltag begleitet und es geschafft, die Mentalität und Ideologie dieser Frauen einzufangen. Huda al-Abud, damals 56 Jahre alt, sagte ihr: „Der einzige Grund, warum wir Kinder in die Welt setzen, ist, um sie Gott und dem Kampf preiszugeben.“ Von ihren zehn Kindern blieben ihr bis 2012 nur fünf. Zwei starben als Selbstmordattentäter, drei wurden getötet, als israelische Hubschrauber Jagd auf Terroristen machten.

Einer solchen Ideologie des Todes kann man nicht mit Vernunft kommen. Man kann nicht an gemeinsamen Überlebenswillen appellieren, um atomare Kriege zu verhindern. Und im Iran ist ein genau solches Regime mit genau dieser Ideologie an der Macht.

Wie die Islamisten in Teheran ticken, zeigt die folgende Aussage von Ruholla Khomeini, dem Gründer und der großen Leitfigur der Islamischen Republik Iran:

„Wenn man es zulässt, dass die Ungläubigen damit fortfahren, ihre verderbliche Rolle auf Erden zu spielen, so wird ihre Strafe umso schlimmer sein. Wenn wir also die Ungläubigen töten, um ihrem verderblichen Handeln ein Ende zu bereiten, dann haben wir ihnen im Grunde einen Gefallen getan. Denn ihre Strafe wird dereinst geringer sein. Den Ungläubigen das Leben zu lassen bedeutet Nachsicht gegenüber ihrem verderblichen Tun. Sie zu töten ist wie das Herausschneiden eines Geschwürs, wie es Allah der Allmächtige befiehlt. Jene, die dem Koran folgen, wissen, dass wir die Quissas (Strafgesetze) anwenden und töten müssen. Die Kriege, die unser Prophet, Friede seiner Seele, gegen die Ungläubigen führte, waren ein Geschenk Gottes an die Menschheit. Wir müssen auf der ganzen Welt Krieg führen, bis alle Verderbnis, aller Ungehorsam gegenüber dem islamischen Gesetz aufhören. Eine Religion ohne Krieg ist eine verkrüppelte Religion. Es ist Krieg, der die Erde läutert.“

Politische Herrscher, die so denken, sollten im Interesse der gesamten Menschheit daran gehindert werden, über Atomwaffen zu verfügen. Zu hoffen ist, dass es sowohl in Israel als auch im Iran möglichst wenig zivile Opfer gibt. Letztlich wird erst der Sturz des iranischen Regimes durch säkulare Kräfte die Gefahr einer islamistischen Atombombe bannen.

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