Nach meiner Teilnahme gab es Fragen von Künstlerkollegen und Freunden. Dieser Austausch kommt möglicherweise dem Verständnis des aktuellen Zeitgeschehens näher als ein Bericht über die Veranstaltung, die man hier nachschauen kann (*2).
Der erste Punkt der Kritik war, dass ich bei einer Veranstaltung mit Tino Eisbrenner oder gar Egon Krenz, dem letzten Staatschef der seinerzeit gerade untergehenden DDR, doch nicht hätte mitmachen sollen. Die Gruppe der Organisatoren, überhaupt dieser “Initiative 8. Mai” hätten eine ganz eigene Agenda. Sie würden nicht nur dem real-sozialistischen Staat DDR nachtrauern, sondern auch den Westen ablehnen, und zu viel Verständnis haben für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Täter-Opfer-Umkehr wurde da betrieben, las ich.
Ich dachte nach: Seit 1990 habe ich auf dem Opfer-des-Faschismus-Tag gesungen, ausgerichtet von der Vereinigung der Verfolgten vom Naziregime u.a. Es sind z.T. die gleichen Menschen, die jetzt auch zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus zu dieser Gedenk- und Festveranstaltung riefen, sie kannten mich noch und fragten an. Auf der Bühne hinterfragt wurden dort im Tiergarten am 3. Mai 2025 Begriffe wie „Kriegstüchtigkeit“ und Haltungen wie „den Russen ist nicht zu trauen“. Natürlich bin ich da weiterhin oder wieder dabei.
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Und natürlich habe ich eigentlich nichts mit Egon Krenz oder dem ehemaligen Liedermacher und FDJ-Funktionär Hartmut König (*3) gemein. Aber auch nicht mit Alexander von Bismarck. Auch mit dem lieben wirklich herzlichen Kollegen Jens Fischer-Rodrian gibt es inzwischen Trennendes, seine Haltung zum Bomardement Gazas – die ich dennoch nicht als antisemitisch ansehe, sondern an einigen Punkten sogar nachvollziehen kann. Egal, ich mache keine „Kontaktschuld“ oder Brandmauer mit.
Und tatsächlich hat sogar Egon Krenz bei dieser Gedenk-Veranstaltung gesagt: Russland hat Deutschland noch nie angegriffen, umgekehrt aber Deutschland in zwei Weltkriegen Russland, und ich finde, damit hat er recht. Die meisten Ukrainer, die ich kenne, wissen wohl, dass da mutmaßlich ein Stellvertreter-Krieg initiiert wurde unter Mithilfe der CIA. Die beiden Staaten Russland und Ukraine haben ja nicht einmal unterschiedliche Systeme, worum geht es überhaupt?
Meine eigene Haltung dazu: Die produzierten Waffen müssen verbraucht und neu ver- und gekauft werden. Das muss aufhören und der Merz soll den „Taurus“ nicht liefern. Bei quasi Jedem, der diese Forderung auf die Bühne bringt, bin ich bereit, ein Friedenslied zu singen und ich habe mich gefreut, es diesmal zusammen mit Helena Goldt und Kolleginnen tun zu können. Im Publikum waren nur Leute, die ich oft sah oder die mich kannten.
Tino Eisbrenner schätze ich auch sehr, wenngleich ich weniger aktivistisch sein will. Aber ich kenne ihn lange und war ja voriges Jahr bei seinem „Friedenstaub – Denkfest der Aktiven“ (*4) in Retgendorf in Mecklenburg. Dort entstand nun in diesem Jahr auch die Idee für diese Würdigung der Roten Armee, denn in allen offiziellen Events zu dem 80. Jahrestag waren die Russen und Belarussen ausgeladen, ein Unding!
Auf diese meine Gedanken hin vermutete ein anderer Kollege, mich würde die Angst vor einem weiteren Weltkrieg treiben, unvernünftig zu argumentieren, so wie viele Künstler heute aus Angst, Verzweiflung oder gar Wut ganz falsch oder eben politisch dumm reagieren würden. Das aber kann ich nicht bestätigen, ich sehe vielmehr, dass der Mainstream der Künstler versucht, gute Mine zu – was auch immer – zu machen und weiter mit Pop, Schlager und Party jeglichen Kontakt mit Politik zu vermeiden. Oder sie „engagieren“ sich in einem, wie ich finde wirklich irrationalen “Kampf gegen rechts”, wie jüngst sehr plump Carolin Kebekus.
Ich sagte: Du hast dich offenbar entschieden, die Kriegsvorbereitung Europas gutzuheißen. Und das Wording auch. Der Angriffskrieg Russlands kam nicht aus heiterem Himmel und Putin ist nicht der neue Hitler. Meine neuen Freunde sind nicht neu, nur in der Corona-Zeit verlor ich die Hälfte oder sie mich und nun sind wir wieder zusammen. Ich habe keine Angst, keine Wut und keine Verzweiflung und seltsam finde ich, dass der Konsens, Frieden einzufordern oder auch nur zu leben, von einem großen Teil der ehemals Linken aufgegeben zu sein scheint.
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Das glaube ich deutlich zu erkennen, denn gerade weil ich in den 1980ern ja sozusagen die Ideale meiner Familie aufgeben musste: die schöne Idee des Sozialismus wurde immer dann doch Diktatur, Wehrdienstverweigerung ist doch das Mindeste, das in einem Staat möglich sein muss, der sich demokratisch nennt, und Wolf Biermann (*5) hatte in allem recht. So dachte ich und lebte danach. Ganz ähnliche Umbrüche erlebte ich dann aber in der Corona-Zeit, von mir “Plandemie” (*6) genannt.
Eine Freundin merkte an, ich würde all diese Themen unzulässig vermischen in meinen Artikeln und Äußerungen. Maidan, Corona, Impfung, Gaza… Und es würde mir anscheinend wenig ausmachen, gemeinsam mit Feinden Israels zu demonstrieren, obwohl ich den arabischen Terror gegen Juden doch kennen würde und auch benennen. Ich solle mich nicht gemein machen mit jenem Grüppchen da am Ehrenmal in Berlin-Mitte.
Doch dieses „Grüppchen“ war organisiert von Teilen der VVN und der früheren Friedensbewegung, aus dem Krefelder Appell, Laura v. Wimmerperg, Jutta Kausch, Christiane Reymann u.a.. Tino Eisbrenners Aktivitäten heutzutage empfinde ich als völkerverbindend. Man hat immer so viele Feinde, wie man gerade braucht.
Wer meinen – oder meine – Artikel zu durcheinander findet, denkt eben einfach anders, das ist ja auch völlig okay, doch für mich sind die Themen alle verbunden. Ich bin ja schließlich „Schwurbler“ a lá „Verbinde die Punkte“ von Sunny. Wenn ich nirgendwo meine Lieder singen soll, wo auch Antisemiten sein könnten oder auch präsent sind, kann ich nirgendwo mehr singen.
Ich sehe schon, es gibt heute (wieder) einen Konsens unter Linken, Studenten, Hochschullehrern, Friedensaktivisten und vielen mehr: die Juden stören. Dabei stört doch gerade der aggressive Israel-Hass auf den Straßen bzw. sollte er stören, nämlich die Vertreter der „westlichen Werte“ und der „Unseredemokratie“. Stört aber augenscheinlich weniger, als etwa Gruppen von Menschen, die ein Friedenslied zu laut singen. Diese rot-weißen Absperrungen waren bei dem Festakt am 3. Mai 2025 überall um uns herum und die Polizei hat stark darauf geachtet, dass die Friedensfreunde nicht etwa die andere Straßenhälfte mitbenutzen, die Seite, die direkt zum Ehrenmal führte.
Manchmal muss man auch differenziert herangehen an die Menschen und sagen „Let us agree to disagree“, da war kein Klüngel mit eigener Agenda, sage ich und sie oder er sagt was anderes, war aber nicht vor Ort. Und ich finde es wichtig, anlässlich des 80.Jahrestages der Befreiung vom Hitlerfaschismus eben nicht auf Veranstaltungen zu gehen, wo Vertreter des Volkes ausgeladen sind, das so viele Millionen Tote zu beklagen hat.
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Und die Opfer in der Ukraine wurden sehr wohl benannt, ebenso die ukrainischen Sowjetsoldaten. Ich habe mit Helena & Co Licht gebracht, jiddisch, deutsch, russisch und ukrainisch gesungen. Natürlich auch Пусть всегда будет солнце (Immer lebe die Sonne). Und das werde ich immer machen, wo man mich lässt. Gerade jetzt. Nicht aus Angst, sondern aus Zuversicht. Die kann ich allerdings nur schwer begründen, wie man hier sehen kann.
(*1) https://befreiung.org/kultur-filme-musik/3000-kamen-zum-sowjetischen-ehrenmal-in-tiergarten/
(*3) https://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_König
(*4) https://www.eisbrenner.de/veranstaltung/friedenstaub-ii-denkfest-der-aktiven/
(*5) https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_Biermann
(*6) So geht Frieden | Manova-Magazin
Zum Weiterlesen: