Manchmal braucht es nur eine einzige Entschuldigung, um das Ausmaß der damaligen Entgleisungen neu zu beleuchten. Der britische Moderator Piers Morgan hat sich öffentlich bei Novak Djokovic entschuldigt – für die Beschimpfungen, die er ihm während der Pandemie wegen dessen Weigerung zur Impfung an den Kopf geworfen hat (wir berichteten). Es ist ein Schritt, der in Zeiten moralischer Selbstgewissheit selten geworden ist.
Djokovic hatte 2022 nicht nur sportliche Sanktionen hinzunehmen. Er wurde nach widersprüchlichen Behördenentscheidungen zeitweise festgesetzt und durfte trotz gegenteiliger Zusicherungen nicht an den Australian Open teilnehmen. Morgan räumte ein, dass die damaligen Gewissheiten über die Schutzwirkung der Impfstoffe sich später relativierten – und dass seine eigenen Angriffe überzogen waren. Djokovic nimmt die späte Einsicht äußerlich gelassen zur Kenntnis, betont aber, dass ihn diese Episode weiterhin begleite und belaste.
Während Morgan nun Größe zeigt, bleibt ein anderer Teil der damaligen Lautsprecher bemerkenswert stumm. Zahlreiche Kommentatoren, die Djokovic damals als Sinnbild von Egoismus und Unvernunft zeichneten, haben bis heute weder Selbstkritik geäußert noch ihre Wortwahl hinterfragt. Manche von ihnen erklärten ihn praktisch zum Staatsrisiko, prophezeiten Chaos in Melbourne oder zeichneten ihn als Gefahr für die öffentliche Ordnung – Einschätzungen, die rückblickend völlig überzogen wirken.
Doch statt Aufarbeitung herrscht Schweigen. Viele der damals federführenden Stimmen würden heute am liebsten vergessen machen, wie vehement sie auf jeden einprügelten, der nicht in das Raster der pandemischen Pflichtmoral passte. Auch Redaktionen, die die öffentliche Debatte mit zugespitzten Schlagzeilen, abwertenden Etiketten oder psychologisierenden Zuschreibungen aufheizten, zeigen wenig Bereitschaft, sich an die eigene Nase zu fassen.
Der Umgang mit Djokovic war für manche Medien nicht nur Kritik an einer prominenten Person – er wurde zum Ventil für eine moralisch gefärbte Polarisierung. Wer sich nicht impfen ließ, galt schnell als irrational, unsolidarisch oder gar gefährlich. Dass viele Menschen Sorge hatten, skeptisch waren oder schlicht eine andere Risikoabwägung trafen, spielte in der aufgeheizten Atmosphäre kaum eine Rolle.
Begünstigt durch die politische Panik jener Jahre wurden harsche Forderungen salonfähig, die heute kaum jemand noch laut vertreten würde. Manche Kommentatoren verlangten staatliches «Durchgreifen», manche forderten offene Zwangsmaßnahmen – Positionen, die inzwischen selbst in Pandemie-Analysen als überschießend gelten.
Und dennoch: Kaum jemand aus diesem Umfeld zeigt heute die Bereitschaft, Fehler einzugestehen. Keine Selbstreflexion über die eigene Schärfe, kein Wort zu den Folgen des damaligen Medienrauschs. Stattdessen: Wegducken. So tun, als sei nichts gewesen.
Piers Morgan hat – bei allen Kontroversen, die er selbst regelmäßig auslöst – immerhin den Mut, öffentlich zu sagen: Ich lag daneben. Diese Haltung bleibt bei vielen anderen aus. Und genau das verleiht der Episode eine Bedeutung, die weit über Djokovic hinausweist.
Sie zeigt, wie schnell moralische Gewissheiten über Menschen hinwegrollen können – und wie wenig Bereitschaft zur Verantwortung bleibt, wenn sich die Perspektive später ändert. Manche haben daraus nichts gelernt, andere wollen nichts lernen. Morgan hat sich bewegt. Die übrigen verharren dort, wo sie damals standen: unbeirrbar, unbelehrbar – und erschreckend leise, wenn es um die eigenen Irrtümer geht.
Schluss mit der Energiewende! Warum Deutschlands Volkswirtschaft dringend Ökologischen Realismus braucht
von Dr. Björn Peters
25,- €
Dieser Beitrag erschien zuerst hier: https://transition-news.org/die-spate-einsicht-der-lautesten-und-das-schweigen-der-ubrigen-moralwachter
Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Zum Weiterlesen:

