Spanien: Verfassungswidrige Corona-Bußgelder zurückgezahlt

92.000 zurückbezahlte Bußgelder sind nur die Spitze des Eisbergs. Denn während der beiden Lockdowns im Jahr 2020 wurden über 1,3 Millionen Anzeigen eingeleitet. Trotz der bestätigten Illegalität wurden verantwortliche Politiker bisher nicht zur Rechenschaft gezogen.
Hoy Extremadura, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Kritische Juristen hatten seit März 2020 darauf hingewiesen: Die beiden spanischen Corona-Lockdowns, die Regierungschef Pedro Sánchez auf Basis des «Alarmzustands» ausgerufen hatte, waren illegal und verfassungswidrig. Doch erst im Juli und Oktober 2021 hatte auch das Oberste Verfassungsgericht diese Sichtweise bestätigt und die Lockdowns als illegal und verfassungswidrig eingestuft. Das hatte zur Folge, dass auch die Anzeigen und Bußgelder nichtig waren – rückwirkend.

Das Urteil des Verfassungsgerichts hat eine Welle von Aufhebungen von Sanktionen ausgelöst. Nach offiziellen Angaben des Ministeriums für territoriale Politik und demokratisches Gedächtnis, aktualisiert am 3. September 2025, beläuft sich die Zahl der ausdrücklich aufgehobenen Bußgelder derzeit allerdings nur auf 92.278.

Das ist nur die Spitze des Eisbergs: Denn während der härtesten Monate des Lockdowns hatten die Sicherheitskräfte und -organe des spanischen Staates über eine Million Strafanzeigen wegen Verstößen gegen die Mobilitätsbeschränkungen zur Anzeige gebracht. Angeblich zum Wohl der Bürger. Hinzu kamen die Sanktionen während des zweiten «Alarmzustands», was die Gesamtzahl der eröffneten Verfahren auf über 1,3 Millionen Personen erhöhte.


Die Urteile des Verfassungsgerichts von 2021 hatten festgestellt, dass einige Abschnitte des Artikels 7 des Königlichen Dekrets 463/2020, die die uneingeschränkte Bewegung untersagten, eine verfassungswidrige Aussetzung des Grundrechts auf Freizügigkeit bedeuteten – und keine bloße Einschränkung.

Dieser technische Unterschied ist entscheidend: Denn eine solche Aussetzung hätte nicht im Rahmen eines «Alarmzustands», sondern nur im «Ausnahmezustand» erfolgen dürfen, der eine parlamentarische Kontrolle und ein wesentlich strengeres Verfahren erfordert hätte.

Das Oberste Gericht hatte dementsprechend klargestellt, dass die Regierung ihre verfassungsmäßigen Befugnisse überschritten und das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit zugunsten der angeblichen Sicherheit verschoben hatte.

Da die Entscheidung rückwirkend galt, fehlte den auf Grundlage dieser Normen erlassenen Verwaltungsakten die rechtliche Grundlage. In der Praxis sind die verhängten Sanktionen damit «von Anfang an» ungültig. Dies eröffnet die Möglichkeit, über eine Million Verfahren in ganz Spanien für nichtig zu erklären – eine beispiellose Herausforderung für die Regierungsdelegationen.

Bereits im Jahr 2020 hatten einige Richter damit begonnen, Sanktionen, die auf Basis des sogenannten «Maulkorbgesetzes» ausgesprochen worden waren, aufzuheben. In mehreren Urteilen kam man zu dem Schluss, dass es keine ausreichende gesetzliche Grundlage für diese Sanktionen gab. Auch wurde die mangelnde Klarheit der Tatbestände in den Lockdown-Dekreten kritisiert. Diese richterliche Linie hatte bereits das Ergebnis angedeutet, das 2021 vom Verfassungsgericht bestätigt worden war.

Die Sánchez-Regierung ordnete später die generelle Rückzahlung der Bußgelder aus dem ersten Alarmzustand an, doch die Umsetzung verlief und verläuft je nach Region langsam und ungleichmäßig. Manche Bußen wurden im Rahmen einer Frühzahlung beglichen, andere nach erfolglosen Rechtsmitteln, und wiederum andere wurden von autonomen oder lokalen Behörden bearbeitet. Jeder Fall erfordert eine individuelle Bearbeitung – eine enorme Belastung für die Regierungsdelegationen.


Doch die Sanktionen sind nur ein Teil des Schadens, den das juristische Management des Lockdowns verursacht hat. Wie das Portal La Iberia betont, «fehlen Entschädigungen, Verantwortlichkeiten und ein echter nationaler Aufarbeitungsprozess». Denn zehntausende Unternehmen mussten monatelang schließen – aufgrund von Entscheidungen, die später für verfassungswidrig erklärt wurden.

Millionen Bürger wurden in ihren Rechten auf Arbeit, freie Berufsausübung und Freizügigkeit eingeschränkt, ohne dass ein allgemeines Entschädigungsverfahren eingeleitet wurde. Dies, obwohl der Freiheitsentzug in Form des «Hausarrests», dem die gesamte spanische Bevölkerung unterworfen wurde, nach Ansicht des Verfassungsgerichts keine ausreichende gesetzliche Grundlage hatte.

Trotzdem wurden weder Entschädigungen festgesetzt noch strafrechtliche oder politische Verantwortlichkeiten geklärt. Kein Regierungsmitglied – weder die Minister, die die Dekrete entwarfen, noch jene, die die allgemeinen Lockdown-Anordnungen unterzeichneten – hat Schuld oder Konsequenzen übernommen.

«Der Staat hat Bußgelder zurückgezahlt, aber die wirtschaftlichen und moralischen Schäden, die Unternehmen, Selbständigen und ganzen Familien entstanden, nicht wiedergutgemacht», konstatiert La Iberia.

Das Beispiel der Gastronomen und Kleinhändler sei besonders bezeichnend. Tausende Betriebe seien nach wochenlanger Zwangsschließung ohne Einnahmen und ohne wirksame Hilfen in die Insolvenz gegangen. Die beim Staatsrat oder bei Verwaltungsgerichten eingereichten Schadensersatzklagen seien größtenteils mit der Begründung abgewiesen worden, es fehle an einem «direkten Schadensnachweis» – eine Formulierung, die den Bürger schutzlos gegenüber institutionellem Missbrauch zurücklasse.

«Beunruhigender Präzedenzfall»


La Iberia bezeichnet diese Geschehnisse als «beunruhigenden Präzedenzfall». Der Vorfall zeige, dass eine Regierung Grundrechte verletzen und die Freiheit von Millionen Menschen einschränken könne, ohne dass dies strafrechtliche Folgen habe.

Die spanische Verfassungsordnung sehe bislang keinen wirksamen Mechanismus vor, um Verantwortlichkeiten einzufordern, wenn die Exekutive ihre Befugnisse im Namen von Dringlichkeit oder öffentlicher Gesundheit überschreite. Der Rechtsstaat messe sich nicht nur an seiner Fähigkeit, Bußgelder aufzuheben, sondern auch an seiner Bereitschaft, die durch eigene Entscheidungen verursachten Schäden anzuerkennen und zu beheben, so La Iberia. In diesem Bereich stehe Spanien seinen Bürgern weiterhin in der Schuld.

Zu dieser Schuld geselle sich eine weitere offene Frage, befindet das Portal: die Überprüfung der indirekten Impfpflicht. In «jenen dunklen Jahren» seien Tausende Arbeitnehmer und Beamte unter Druck gesetzt oder suspendiert worden, weil sie sich geweigert hätten, sich eine experimentelle Substanz verabreichen zu lassen. Oft sei dies aufgrund regionaler Vorschriften oder betrieblicher Protokolle geschehen, die Rechte ohne klare gesetzliche Grundlage eingeschränkt hätten.

Das juristische Prinzip sei dasselbe wie bei den Lockdowns: Keine gesundheitliche Maßnahme dürfe ohne verfassungsmäßige Grundlage oder wirksame parlamentarische Kontrolle auferlegt werden. Wenn die Einsperrung von Millionen verfassungswidrig gewesen sei, müsse auch geprüft werden, ob die als «kollektiver Schutz getarnte Zwangsausübung» Grundrechte wie die körperliche Unversehrtheit oder die Gewissensfreiheit verletzt habe.

Das Urteil des Verfassungsgerichts zum «Alarmzustand» schaffe einen Präzedenzfall, der auch auf diesen Bereich ausgeweitet werden müsste, urteilt La Iberia. Die Justiz dürfe nicht bei den Bußgeldern stehenbleiben – sie müsse auch jene erreichen, die unter Druck, Entlassung oder Diskriminierung gelitten hätten.

Quelle:

La Iberia: El desarme del régimen represor del estado de alarma: 93.000 multas anuladas a falta de indemnizaciones y condenas – 6. Oktober 2025

Dieser Beitrag wurde zuerst hier veröffentlicht: https://transition-news.org/spanien-verfassungswidrige-corona-lockdowns-bisher-wurden-92-000-bussgelder

Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

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